Villa WiesentalEs kommt mir so vor, dass unter dem hohen Renditedruck der Investoren scheint auch die Wertschätzung der Wirtschaft für unsere Denkmäler unter Druck zu geraten. Die Villa Wiesental ist ein besonders stossendes Beispiel dafür. Überlassen wir die Einschätzung des Werts doch denen, die es verstehen und nicht denen, die nur den Return-on-Investment sehen. Wie wärs zum Beispiel mit der kantonalen Denkmalpflege? Diese hat die Bedeutung der Villa nämlich wiederholt in ihren Jahresberichten hervorgehoben.

Im Unterschied zu den Aussagen der Immobilienfirma Wüest und Partner ist der Zustand im Innern der Villa keineswegs desolat. Die reiche Innenausstattung ist  fast vollständig erhalten. Das Treppenhaus mit gusseisernen Balustern, die Glastüren zu den Wohnungen und die Kunststeinfliesen sind einmalige Raritäten. Im Erdgeschoss wie im ersten Obergeschoss sind fast alle ursprünglichen Parkettböden erhalten, ebenso die Stuckdekorationen der Spiegeldecken mit Rosetten und Eckverzierungen. Dazu kommen die unbeschadet vorhandenen Täferungen, die Türen mit Ätzglasscheiben, die in jeder Wohnung vorhandenen Cheminées, die seitlich zusammenklappbaren Fensterläden, ein ganz in Arventäfer ausgekleidetes Zimmer sowie ein westseitiges Treppentürmchen mit einer hölzernen Wendeltreppe und einer Eingangstür zum Garten.

Die Villa Wiesental nimmt gemäss Denkmalpflege städtbaulich eine Scharnierfunktion ein. Einerseits steht sie zeitlich an der Schwelle der grossstädtischen Stadtgestaltung während des Stickereibooms, andererseits bildet sie baulich den Angelpunkt von der lockeren Vorstadtüberbauung zur geschlossenen Zeilenbauweise. Sie bildet damit in ihrem heutigen baulichen Umfeld eine wichtige Zäsur und macht die Grenze von der Vorstadt zur Innenstadt erlebbar. Der Villa Wiesental kommt – gerade auch wegen des sich stark veränderten Umfelds – städtebaulich eine wichtige Bedeutung zu. Der Respekt vor der städtebaulichen Entwicklungsgeschichte bedingt gemäss Denkmalpflege die Erhaltung und den Einbezug der Villa in die weitere Planung des Quartiers. Warum eigentlich nicht?

Stefan Grob, CVP St.Gallen