kindesmisshandlung
Im März dieses Jahres musste ich Erschreckendes im Tagblatt lesen: 585 Fälle von Kindesmisshandlung hatte das St.Galler Kinderschutzzentrum vergangenes Jahr neu registriert. Ein Rekord. Besonders bedenklich: Die Zahl sei in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Hinter dieser Zahl verbergen sich somit 585 Schicksale von Kindern und Jugendlichen, die psychisch oder physisch Gewalt erlitten haben, geschlagen, gedemütigt, krass vernachlässigt oder sexuell missbraucht wurden. Gut, dass es in diesem Fall das Kinderschutzzentrum gibt, wo Kindern und Jugendlichen schnell und professionell geholfen wird.

Um so erstaunter war ich vergangene Woche, als ich vernahm, dass das St.Galler Kantonsparlament im Rahmen einer Sondersession einer Sparmassnahme von 200’000 Franken zugestimmt hat. Diese betrifft das Kinderschutzzentrum und weitere Einrichtungen für schutzbedürftige Personen. Ich frage mich, was dies für die steigende Zahl von Misshandlungsfällen von Kindern bedeutet: Können die Notfälle auch weiterhin schnell und kompetent behandelt werden? Bleiben genügend Ressourcen übrig, um die misshandelten Kinder zu betreuen und bei Bedarf im „Schlupfhuus“ unterzubringen?

Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist mir sehr wohl bewusst, dass der Kanton sparen muss. Aber diese Sparmassnahme ist ökonomisch kontraproduktiv (weil misshandelte Kinder, die nicht sofort professionell behandelt werden, später oft psychisch krank werden und daher den Staat viel mehr kosten) und gesellschaftspolitisch bedenklich (weil sie die Schwächsten trifft: Kinder, die sich nicht wehren können). Ausserdem ist diese Sparmassnahme geradezu absurd: Mit viel Aufwand versucht der Staat die Öffenlichkeit, Lehrer und andere Fachpersonen für das Thema Kinderschutz zu sensibilisieren – doch auf der Angebotsseite soll dann gespart werden.

Ändern kann ich die Entscheidung der Kantonsparlamentarier nicht. Ich hoffe jedoch, dass der eine oder andere Politiker mal einen Blick ins Kinderschutzzentrum St.Gallen wirft – dort wo praktisch jeden Tag ein bis zwei Kinder Schutz suchen müssen. Mir bleibt daher nur die Hoffnung, dass entgegen dem aktuellen Trend die Anzahl von Kindesmisshandlungen zurück geht.

Stefan Grob
Vorstandsmitglied Verein Kinderrechte Ostschweiz

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